Dienstag, 11. Dezember 2007

VER(d)AMT!!!



Ach Deutschlands Ämter, Deutschlands Bürokraten, entmündigte Schreibtischtäter, eingesetzt zur Entmündigung der Restbevölkerung, oder zumindest jener, die aus welchen Gründen auch immer, die elenden Hallen betreten müssen. Haben sie nicht auch Mutter und Vater, diese A-4-Wesen? Warum bloß bleiben sie dann sämtlichen menschlichen Regungen eigenartig fern? Natürlich braucht es eine gewisse Ordnung, sonst gehe alles Durcheinander. Doch manchmal überkommt mich der eigenartige Verdacht, dieses Durcheinander hätte eine wesentlich menschlichere Komponente als diese Formular-Wirklichkeit, gemacht von Bürohlingen, deren persönliche Sozialverhinderung nicht dazu gereicht hat, einen Beruf außerhalb dieser simplifizierenden Dimension vom stetigen Übertragen komplexer Sachverhalte auf die zweidimensionale Oberfläche eines Vordrucks zu bekommen. Selten aber habe ich einen Amtsschimmel getroffen, der sich durch seine gewählte Profession in niemals abreißenden Glücksgefühlsbädern sudelte. Vielmehr schleicht die Depression neben den Graubeanzugten, die geneigten Hauptes durch die sterilen Gänge schlurfen, um für sie austauschbare Namenkombinationen in die Wartesäle zu rufen. "Kerstin Schmidt?!" "Alexander Julkowitsch?" "Herr Rothe?" Sitzt man einem solchen Bürokraten dann in seinem Büro gegenüber, darf man dann auch nicht erwarten, dass es besonders lustig wird. Oder ist schon jemand die Gänge eines Jobcenters entlanggeschlichen und lauschte dem lauten Lachen und Kichern diverser fröhlich zugehender Vermittlungsgespräche? Eben. Interessant finde ich immer die Hilflosigkeit, mit der der Ämtermensch den Versuch unternimmt, eine wie auch immer geartete menschliche Note in seinen vier Wänden zu setzen: Plüschtiere sind total in und vor allem Kalender mit Tier- oder Landschaftsmotiven. Die vielen gut gewachsenen Zimmerpflanzen sollen sicher eine auflockernde Atmosphäre schaffen, doch bewirken sie beim Beobachter nur die Erkenntnis, dass das viele betont gepflegte Grün von dem eigentlichen Todgeruch ablenken soll, dem Verwesungsgestank der Bürokraten. Diese Minuten im Amtsbüro sind wohl die einzigen Gelegenheiten, bei dem der ins Amt Getriebene erleben kann, dass man auch per Printmedium in Echtzeit kommunizieren kann. Ist der Sachverhalt durch abgegebene und überprüfte Formulare geklärt, druckt der Bürokrat den nächsten Schub Dokumente aus usw. Selten kann man mit so einem Menschen wirklich sprechen, denn er ist ständig bemüht, deine lapidaren Interessen und Einwände mit den Vorschriften und Fristen zu vergleichen. Die stoisch systematische Sicht auf dein ganzes Leben ohne Unterschied und Aber lässt keinen humanen Umgang zu, erst recht keine Phantasie. Und so verlässt man schließlich, bedient oder nicht bedient, das deutsche Amt, mit eigenartiger Übelkeit und dem paradoxen Gefühl, etwas von der Farblosigkeit der Schwarz-Weiß-Arbeiter habe sich abgefärbt. Na dann, bis zum nächsten Formular!

2 Kommentare:

Sanne hat gesagt…

also ich habe schon viele unterschiedliche gefühle in unterschiedlich starken ausführungen erleben, und ausleben können.

und:

die farbliche dimension im amt würde ich eher als hellgrau/dunkelgrau beschreiben.
aber sonst sehr hübsch, besonders:
"...als diese Formular-Wirklichkeit, gemacht von Bürohlingen, deren persönliche Sozialverhinderung nicht dazu gereicht hat, einen Beruf außerhalb dieser simplifizierenden Dimension vom stetigen Übertragen komplexer Sachverhalte auf die zweidimensionale Oberfläche eines Vordrucks zu bekommen."

BAsT hat gesagt…

Zugegeben und beabsichtigt: eine idealisierte Negativierung!