wir sind es wieder. Wir sind jetzt also bei Mike, das letzte Haus am Ende der Straße.
Es gibt nicht viel zu tun. Die Uhren scheinen hier etwas anders zu ticken, wir passen uns an. Die meiste Zeit verbringen wir damit auf der Veranda zu sitzen.
Ein paar Sachen gibt es allerdings doch zu tun. Zum Beispiel hat Mike vor, auf dem Luminate Festival, das jedes Jahr Ende Januar auf dem Takaka Hill stattfindet, eine Art Infotafel aufzustellen. Dort sollen einige nützliche Knoten in Bild und Echtform dargestellt werden und ein Übungstampen zum nachmachen daran befestigt werden. Wir gehen also in den Wald und sägen ein paar Bäumchen. Anschließend schälen wir die Rinde ab, was größtenteils erstaunlich leicht, ganz einfach mit den Händen zu bewerkstelligen ist. Unter der Rinde verbirgt sich ein schönes, glattes Stück Holz.
Dieses wird dann mit gekochtem Leinöl (wahrscheinlich so etwas wie Leinölfirnis) einbalsamiert und fertig ist das Bauholz für die Infotafel. Das war eine leichte Arbeit, die schnell zu schönen Ergebnissen führte. Da haben wir uns definitiv eine ausgedehnte Pause verdient. Wir verbringen den Rest des Tages auf der Veranda und schauen den Wolken beim vorbeiziehen zu.
Aber es gibt auch noch andere Sachen zu tun. Eine klassische Aufgabe für Woofer in Neuseeland: eingeschleppte Pflanzen aus aller Welt, die hier wuchern wie die Pest, zu bekämpfen. In unserem Fall Blackberry; stachelige, rankende, frische, verholzte, fiese Blackberry, zu deutsch Brombeere. Das Werkzeug unserer Wahl ist eine lange Heckenschere und eine Harke.
Das ginge eigentlich ganz gut, wenn da nicht dieser gnadenlose, grelle Stern am Himmel ohne unterlass auf uns herniederbrennen würde. Ich schwitze, mach mich frei und bekomme sofort einen kleinen Sonnenbrand auf meinen bleichen Schultern. Ich weiß nicht so recht wie ich es beschreiben soll, ein Foto hilft da wahrscheinlich wenig, aber die Sonne, ist so unwahrscheinlich heiß, das es uns selbst am Abend beim Nichts tun (bzw. auf der Veranda sitzen) den Schweiß auf die Stirn treibt. Noch ein Stückchen weiter nach links, dann ist sie endlich hinter dem Hügel verschwunden.
Vielleicht könnt ihr euch jetzt ungefähr ausmalen, wie es um unsere Arbeitsmoral um zwölf Uhr Mittags beim Blackberry bekämpfen bestellt ist. Ein paar kurze Pausen im Schatten, eine paar erfrischende Grapefruit-Orangen-Mix-Früchte zwischendurch, aber nach zwei Stunden Arbeit geht einfach gar nichts mehr.
Zumal die Harke den Anforderungen wohl doch nicht ganz gewachsen ist, erst reißt sie ab, einen Tag später, nachdem wir sie ordentlich befestigt haben, bricht sie ab. Wir reparieren die Harke und gehen lieber im Motueka Fluß baden. Ein paar Wagemutige springen sogar von einer der tausenden einspurigen neuseeländischen Hängebrücken.
Obwohl wir gerade erst die Sonnenwende hatten und ihr auf der Nordhalbkugel die längste Nacht und wir, auf der Südhalbkugel, den längsten Tag erleben durften, kann man von hier oben, fern von jeder Licht- und Luftverschmutzung einen grandiosen Sternenhimmel beobachten. Ganz deutlich ist das Kreuz des Südens auch mit dem fünften Stern, den die Australier mit in ihre Flagge übernommen haben, sichtbar.
Es gibt mehr Arbeit. Rebecca kommt beinahe täglich vorbei, um sich mit den Pferden von Mikes Exfrau zu beschäftigen, die hier hinterm Haus grasen.
Damit auch sie nicht unter der glühenden neuseeländischen Sonne Hufe schneiden muss, soll ein Schatten spendender Unterstand gebaut werden. Dazu werden von Mikes Nachbarn zwei Holzstämme besorgt. Diesmal etwas dicker und auch die Rinde lässt sich nicht so leicht entfernen. Mit dem richtigen Werkzeug jedoch, alles kein Problem.
Auch diese werden wieder mit reichlich Leinölfirnis eingeölt
und zwei schicke, dicke, haltbare Ständer kommen dabei heraus.
Nicht schlecht, reicht aber für heute, Zeit für die Veranda.
Falls ihr euch fragt, was wir eigentlich die ganze Zeit da machen (auf der Veranda), wir sitzen ja nicht alleine hier. Mike sitzt daneben. Er hatte ein sehr bewegtes Leben. Aus diesem erzählt er immer neue Geschichten aus seiner Kindheit, seiner Zeit bei der Marine, als Knochenschnitzer in Wellington, aus dem Gefängnis und so weiter. Er zeigt uns einige Fotos von den über 400 Woofern (wie gesagt, nur nette Mädchen) die bereits bei ihm waren.
Übrigens, es ist Weihnachten. Kommt einem gar nicht so vor, wenn man täglich von der Sonne gebrutzelt wird und baden geht. Bescherung fällt aus, Geschenke kaufen braucht man allerdings auch nicht. Das ist völlig in Ordnung so, das Essen lassen wir jedoch auf keinen Fall ausfallen. Mikes Nachbarn kommen vorbei.
Ganz rechts sitzt die Tochter von einem ausgewanderten Paar (2. u. 3. von rechts) aus Deutschland. Also eine echte Kiwi. Die Eltern sind dann wieder zurück nach Deutschland, sind aber jetzt gerade wieder zu Besuch. Rechts neben Mike sitzt der Freund von der Tochter der offenbar auch ausgewandert ist und seit 2 Jahren hier wohnt. Sie haben drei Kinder die auch alle Kiwis, aber scheinbar nicht alle von ihm sind. Gesprochen wird englisch, denn einer versteht kein deutsch. Alle (außer die Großeltern und wir) sprechen Englisch und Deutsch als Muttersprache, oder?
Falls ihr jetzt etwas verwirrt seid, ist das nur gut, denn meine Hand würde ich für die Informationen nicht ins Feuer legen, aber so oder ähnlich muss es sich zugetragen haben. Jedenfalls bringt jeder was mit und der Tisch ist gedeckt.
Langsam wird es mal wieder Zeit für eine Abkühlung. Mike erzählt uns wo die Locals baden gehen, dort wo wir waren, gehen doch nur die Touristen hin.
Auch nicht schlecht, allerdings war der Strand nur circa einen Meter breit und drei Meter lang und wir waren zehn Leute. Wenn also jemand aus dem Wasser wollte musste erst mal jemand anderes rein.
Die Feiertage sind vorbei, langsam könnten wir mal wieder was tun. Ich schaue mir den Garten an und stelle fest, dass dort wesentlich mehr Unkraut als Nutzpflanzen steht. Da das Unkraut gerade blüht, wäre jetzt ein sehr guter Zeitpunkt mal alles rauszureißen, bevor es Samen abwirft. Also gut.
Nach drei vollen Schubkarren ist das gröbste erledigt, zumindest erkennt man jetzt wieder Mais, Kartoffeln, Zucchini, Kürbis, Zwiebeln, Salat und Silverbeet, so etwas ähnliches wie Spinat. Wohin mit dem Zeug? Na klar, was für den Menschen Unkraut, ist für die Pferde ein Leckerbissen.
Langsam wird es für uns Zeit die Sachen zu packen, ich persönlich habe die Zeit hier sehr genossen. Wir haben ab übermorgen eine kleine Hütte in Murchison gebucht, wo wir das neue Jahr begrüßen und ein paar Forellen fangen wollen.
Wir waschen nochmal unsere Sachen und warten bis Mike aufgestanden ist, um uns zu verabschieden. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass er nicht unbedingt sehr lange schläft, er jedoch für normale Bewegungen unheimlich lange braucht. Er hat zwar den Krebs besiegt, leidet jedoch schon seit einer Weile an einer Nervenkrankheit, ich glaube ALS, er verliert langsam die Kontrolle über seine Muskeln. Wir sagen also Tschüss und Mike macht noch ein Foto von uns.
Dann ab ins Auto, Schlüssel rumdrehen – geht nicht an. Wir rufen Paul, Mikes Nachbar, der ist KFZ Mechaniker. Die Fehlersuche ergibt: kein Funke. Wir verdächtigen die Zündspüle und messen nochmal nach. An der ersten Wicklung kommt noch was an, hinter der zweiten aber nichts mehr raus. Es ist Sonntag, also setzen wir uns erst mal wieder auf die Veranda.
Ich drehe eine Runde mit Mikes Quad. So ein Teil wollte ich schon immer Mal fahren. Gar nicht so einfach, Gas gegeben wird mit dem Daumen. Das Quad ist Mikes Pferd, es erhöht seinen Bewegungsradius ungemein und er kann es selbstständig bedienen.
Am nächsten Tag leiht uns Mike sein Auto. Wir fahren nach Motueka um eine neue Zündspule zu besorgen. Leider nicht auf Lager. Sie rufen für uns in Nelson an, noch eine auf Lager! Wir reservieren das Teil, fahren nach Nelson und zahlen $47,- NZD, das ist günstig würde ich sagen. Verteilerkappe und Finger sahen auch nicht mehr so gut aus, kosten aber astronomisch viel mehr. Also wieder zurück zu Mike. Unterwegs regnet es in strömen, bei Mike auf dem Hügel ist alles trocken. Wir bauen das Teil ein und drücken die Daumen. Der Motor hustet und stottert ein bisschen von den vielen Startversuchen, aber dann läuft er wieder rund. korpus delicti:
Bis zum nächsten mal, Stefan und Andreas.
4 Kommentare:
Schön, von Euch zu lesen. Zusammen mit den Bildern: ein Fest!! Wir waren übrigens och aufm Berg. In Polen allerdings und es hat geschneit, Kinder überall, alle verstanden Deutsch und gutes Essen gab es auch.
LG
BA
wahrlich tiefenentspannt! solche gesichter kann man nur in NZ haben! oder im urlaub..., nach 3 wochen vlt. liebe grüße ausm städtle. wetter momentan: 7°, grau, bewölkt, aber wenigstens trocken! gestern war wieder schneematschregen.
grüße fein lieb auch an wala.
s.
Oere, Du! seeehr geil die FotoStories!
kam bei Dir eigentlich unser Silvestergruss auf WhatsApp an?
C.
Super Artikel und schöne Bilder! Licht- oder Luftverschmutzung brauche ich nicht. Habe dafür Humidity Sensors installiert, die mir die Werte der Luftqualität messen. Echt praktisch! Lg
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